Miss Seeton riskiert alles by Heron Carvic

Miss Seeton riskiert alles by Heron Carvic

Autor:Heron Carvic
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
veröffentlicht: 2012-09-03T22:00:00+00:00


6

Miss Seeton kam trotz ihrer guten Vorsätze zum Frühstück zu spät. Auf dem Weg zum Badezimmer hatte sie sich verlaufen; während sie sich ankleidete, hatte sie sich über die bevorstehende Begegnung mit dem jungen Derrick Gedanken gemacht und sich dabei zu lange aufgehalten.

Warum hatte er diesen Morden ins Haus gelassen? Anscheinend, damit er sie überfiel. Aber warum? Sie konnten nicht so dumm sein zu glauben, daß ihre unbedeutenden Beziehungen zur Polizei irgendwelche Pläne, die sie vielleicht hatten, gefährden würden. Sie hatte natürlich in der vergangenen Woche eine Menge Geld gewonnen. Aber selbst wenn sie glaubten, sie besäße es noch, konnten sie doch vernünftigerweise nicht annehmen, daß sie es jetzt bei sich trug. Vielleicht waren es die geliehenen Juwelen… Das könnte möglich sein. Es mußte sich herumgesprochen haben! Sie vermuteten, sie seien ihr Eigentum, und glaubten, daß sie sie bestimmt für einen Besuch wie diesen bei sich haben würde. Schließlich betäubte Äther nur für eine Weile. Diese Leute oder vielmehr Morden hatte offensichtlich beabsichtigt, ihr ihre Habe zu rauben. Wie töricht von ihnen. Sehr, sehr töricht!

Töricht oder nicht, die Aussicht auf eine Konfrontation mit Sohn Derrick wurde dadurch nicht weniger peinlich. Wer eher am Frühstückstisch saß und nicken, lächeln und sagen konnte: »Wie geht es Ihnen?«, während er weiteraß, würde entschieden im Vorteil sein.

So, wie die Dinge lagen, war Derrick im Vorteil; aber ihm fehlte die Erfahrung, seine Überlegenheit zu nutzen.

Da sein Schlafzimmer etwas abgelegen lag, konnte er von den weiteren Ereignissen der Nacht keine Ahnung haben und wußte daher nicht, daß Miss Seeton noch im Hause war. Er hatte ängstlich auf eine Bemerkung über die Verspätung des Gastes und die darauffolgende Entdeckung ihrer Abwesenheit gewartet. Er hörte, wie die Tür sich öffnete, und nahm als selbstverständlich an, daß es Timson oder Helene war. Fassungslos hörte er, wie seine Familie Miss Seeton begrüßte. Er ließ Messer und Gabel fallen und verschluckte sich an einem Stück Speck. Seine Mutter stellte vor, und schließlich murmelte Derrick, rot im Gesicht und mit tränenden Augen, eine Entschuldigung, weil er sich verschluckt habe.

Deirdre, die sich an einer Anrichte ihren Teller vollud, wandte sich um und fragte: »An deinem Gewissen?« Ein warnender Blick ihres Vaters hinderte sie, ihn noch weiter zu provozieren.

Der Rest des Morgens brachte eine Menge Unangenehmes. Um zehn Uhr traf ein Polizeiwagen ein, und ein Kriminalinspektor von Guildford verhörte Miss Seeton. Obwohl Tom Haley versuchte, sie durch Zeichen daran zu hindern, brachte sie ihre Theorie vor, der nächtliche Überfall sei nichts anderes gewesen als der Versuch, ihr die nicht vorhandenen Juwelen zu rauben. Der Inspektor sprach sodann mit den Timsons. Danach bat er Derrick, ihn ins Büro zu begleiten, um eine Erklärung abzugeben.

Miss Seeton wurde gefragt, ob sie dem Gottesdienst beiwohnen wolle und gegebenenfalls lieber zu Fuß ginge oder führe. Sie erinnerte sich an die viktorianische Tradition, nach der sonntags der Wagen nur von den Alten und Kranken benutzt wird, und entschied sich daher zu laufen. Ihr fiel auch ein, daß der Tradition zufolge der Spaziergang zur Kirche die richtige geistige Verfassung für den Gottesdienst hervorruft, während die Rückkehr den Appetit für das Mittagessen fördert.



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